Seit einiger Zeit ist der Futtermittelmarkt gefühlt übersät von sogenannten Strukturfuttern und Strukturmüsli. In den Produktbeschreibungen wird häufig mit besonderen Eigenschaften geworben, wie:

  • sowohl für Senioren als auch für leichtfuttrige und stoffwechselempfindliche Pferde geeignet
  • regen hastig fressende Pferde zum Kauen an
  • verlängern die Fresszeiten und fördern den Speichelfluss
  • besonders schonend für den Magen-Darm-Trakt
  • für Pferde mit empfindlicher Verdauung und/oder Magenbeschwerden
  • geeignet als Krippenfutter, Zusatz zum Krippenfutter, Raufutterzusatz oder Raufutterersatz

Strukturfutter - wie wirken sie sich auf die Verdauung des Pferdes aus?

Doch was verbirgt sich hinter diesen Strukturfuttern/-müsli?

Wer eine Definition für Raufutter oder Kraftfutter sucht, wird schnell fündig – schwieriger gestaltet sich die Suche nach einer eindeutigen Definition der Begriffe Strukturfutter oder Strukturmüsli in Bezug auf Pferdefutter. Um den Strukturfuttern/-müsli genauer auf den Grund zu gehen und herauszufinden, wie sich diese auf die Verdauungsphysiologie des Pferdes auswirken, haben wir den aktuellen Stand der Wissenschaft genauer betrachtet und erste eigene Ergebnisse in einem praxisorientierten Fütterungsversuch gewonnen.


Welche Futtermittelstruktur benötigen Pferde?

Pferde haben sehr ausgeprägte Fress-, Kau- und Beschäftigungsbedürfnisse. Werden diese ausreichend erfüllt, können sowohl ernährungsbedingte Krankheiten (z. B. Verdauungsstörungen) als auch Verhaltensstörungen (z. B. Koppen oder Weben) vermieden werden. Pferde sind auf die Aufnahme von struktur- und rohfaserreichen Futtermitteln angewiesen, die kaustimulierend wirken und für lange Fresszeiten sorgen. Neben dem Anteil an strukturwirksamer Rohfaser ist auch die ideale Faserlänge, die für Pferde 4 – 8 cm beträgt, ein wichtiger Parameter für die Bewertung der Futtermittelstruktur. In der Rationsgestaltung wird daher ein täglicher Mindestanteil an kaufähigem Material von 1,5 kg Trockensubstanz je 100 kg Körpermasse empfohlen.


Worauf kommt es eigentlich bei der Verdauung an?

Im Gegensatz zu Hunden und Menschen erfolgt die Speichelsekretion bei Pferden nur während der Futteraufnahme. Lange Fresszeiten, in denen intensiv gekaut und somit viel Speichel produziert wird, stellen einen entscheidenden Aufbereitungsschritt der Futtermittel für die anschließenden verdauungsphysiologischen Prozesse im Magen, Dünndarm und Dickdarm des Pferdes dar.
Pferde sind von Natur aus Dauerfresser und der verhältnismäßig kleine Magen ist auf eine kontinuierliche Zufuhr von kleinen Futtermengen ausgelegt. Diese gelangen idealerweise intensiv eingespeichelt sowie zermahlen und somit mit niedrigen Trockensubstanzgehalten in den Magen. Nur dann kann die im Pferdemagen kontinuierlich gebildete Magensäure bis in tiefe Schichten des lockeren Futterbreis eindringen, sodass eine ausreichende Absenkung des pH-Wertes erreicht wird. Dies ist notwendig, damit die mikrobielle Fermentation eingedämmt und gefährliche Fehlgärungen vermieden werden. Die im Speichel vorhandenen Puffersubstanzen puffern überschüssige Säuren ab und tragen so zu einer Regulation des pH-Wertes im Magen bei. Der optimale pH-Wert im Magen ist entscheidend für die Funktion der proteinspaltenden Enzyme und den Mineralstoffaufschluss.

Was bedeutet Trockensubstanz (–masse) im Vergleich zur Originalsubstanz (Frischmasse)?

Die Originalsubstanz beschreibt den IST-Zustand eines Futtermittels, so wie es verfüttert wird. Die Trockensubstanz beschreibt den Teil eines Futtermittels, der nach einer Trocknung bei 103 °C zurückbleibt. Im Wesentlichen gehen während des Trocknungsprozesses Wasser und andere flüchtige Substanzen (Rohwasser) verloren.

Trockensubstanz (TS) = Originalsubstanz (OS) – Rohwasser

 Eine Vergleichbarkeit von Literaturwerten und Messergebnissen ist nur auf Basis der Trockensubstanz möglich – daher beziehen sich hier alle Angaben bezüglich der Futtermittel auf die Trockensubstanz.

Sowohl die Futteraufnahmezeit, die Anzahl an Kauschlägen als auch die damit verbundene Speichelsekretion hängen, neben der Größe des Pferdes und der damit verbundenen Kaufläche, auch von der Art des Futtermittels ab. Die Tabelle 1 zeigt einige Kennzahlen der Futteraufnahme für Krippenfutter (wie Hafer oder pelletierte Mischfutter) und Heu als Raufutter.

Tabelle 1: Kennzahlen der Futteraufnahme für Rau- und Krippenfutter
(verändert nach Coenen und Vervuert, 2019; Ellis und Hill, 2005; Fritz, 2017; Meyer et al., 1975)

Futtermittel Futtermenge
[kg TS]
Futteraufnahmezeit
[min/kg TS]
Anzahl an Kauschlägen
[Anzahl/kg TS]
Speichelmenge
[l/kg TS]
Heu 1 30 - 50 3000 - 3900 3 - 5
Krippenfutter 1 8 - 15 800 - 1200 1 - 1,5

Die Futteraufnahmezeiten für Krippenfutter sind im Vergleich zu denen von Heu deutlich kürzer. Zudem werden Krippenfutter weniger intensiv gekaut und demnach auch weniger eingespeichelt. Das Futter gelangt als verhältnismäßig trockener und kompakter Futterbrei in den Magen und die Magensäure kann dadurch nicht bis in tiefe Schichten eindringen. Infolgedessen findet keine ausreichende Absenkung des pH-Wertes statt, die Mikroorganismen können sich weiter vermehren und es entstehen vermehrt Gase, Laktat und flüchtige Fettsäuren. Das Risiko für Fehlgärungen und Magenkoliken steigt. Die erhöhte Keim- und Mikroorganismenanzahl kann auch in den nachfolgenden Darmabschnitten zu Verdauungsstörungen führen und unter anderem Dysbiosen (negative Veränderungen der Zusammensetzung der Darmflora) hervorrufen. Durch die verringerte Speichelproduktion vermindert sich auch die Pufferwirkung des Speichels im Magen und die überschüssige Magensäure kann verstärkt die schützende Magenschleimhaut reizen. Eine Abweichung vom idealen pH-Wert führt ebenfalls dazu, dass die Verdauungsenzyme in ihrer Tätigkeit eingeschränkt sind und somit auch die Vorverdauung von Proteinen (Eiweißen) vermindert ist.


So unterschiedlich sind die Strukturfutter/-müsli

Die nachfolgenden Bilder zeigen drei verschiedene Strukturfutter/-müsli, die neben Heu für den Fütterungsversuch verwendet wurden. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, wie unterschiedlich die drei Strukturfutter/-müsli optisch sind. Dennoch wird bei allen Produkten gleichermaßen damit geworben, dass sie aufgrund ihrer Struktur und Zusammensetzung die Fresszeiten verlängern und ein intensives Kauen und Einspeicheln fördern.

Strukturfutter für Pferde im optischen Vergleich

 


Einblick in die Ergebnisse des Fütterungsversuches

Ein Teil der gewonnen Messergebnisse ist in Tabelle 2 dargestellt. Im Mittel benötigten die Pferde für die Aufnahme von 1 kg Heu (TS) 41 Minuten und kauten in dieser Zeit 2.966-mal. Die Messergebnisse erreichten damit annähernd die in der Literatur angegebenen Werte für Heu (siehe Tabelle 1). Die Ergebnisse für Struktur 1 weichen, mit einer Futteraufnahmezeit von ca. 30 Minuten und 2.455 Kauschlägen, stark von denen der anderen beiden Strukturfutter/-müsli ab. 1 kg des Struktur 2 und des Struktur 3 (TS) wurden mit 15 – 17 Minuten fast doppelt so schnell gefressen und die Pferde kauten währenddessen nur 1.294 – 1.442-mal. Die Anzahl an Kauschlägen und die Futteraufnahmezeiten für Struktur 2 und Struktur 3 liegen nur leicht über den Literaturangaben für Krippenfutter. Zudem hatte das individuelle Fressverhalten der Pferde einen Einfluss auf die Messergebnisse. Beispielsweise fraß der teilnehmende Haflinger 1 kg Heu (TS) in ca. 32 Minuten wohingegen der Andalusier ganze 56 Minuten benötigte. (Lesen Sie mehr über das individuelle Fressverhalten von Pferden in unserer Studie zur Heufütterung)

Tabelle 2: Messergebnisse und Rohfasergehalte (XF-Gehalte) der Futtermittel

  XF-Gehalt
[% XF i. d. TS]
Futteraufnahmezeit
[min/kg TS]
Kauschläge
[Anzahl/kg TS]
Anteil Fasern mit
4 – 8 cm Länge
[%]
Heu 35,4 40,7 2966,3 43,4
Struktur 1 34,1 29,8 2455,3 8,2
Struktur 2 19,7 16,8 1442,1 0,2
Struktur 3 7,7 15,4 1294,3 3,4

Die drei Strukturfutter/-müsli unterscheiden sich stark in ihrer Zusammensetzung. Struktur 2 und Struktur 3 bestehen aus mehr als 10 verschiedenen Komponenten (von Hafer, Gerste über Mais bis hin zu Blütenblättern und Johannisbrot) wohingegen Struktur 1 lediglich aus Luzernehäcksel, Heucobs und Pflanzenöl besteht (siehe Bilder). Die Zusammensetzung von Struktur 1, mit dem höchsten Rohfasergehalt und höchsten Anteil an idealen Fasern, führte im Vergleich zu den anderen Strukturfuttern/-müsli zu deutlich besseren Messergebnissen und erreichte nahezu Werte wie bei einer Heufütterung. Auch Scheurer et al. (2017) und Collinson (1994) beschreiben einen positiven Einfluss der Futtermittelstruktur, wie dem Rohfasergehalt und der Faserlänge, auf die Messparameter.

Bezogen auf die längere Futteraufnahmezeit und das intensivere Kauen ist bei der Fütterung von Struktur 1 von einer vergleichbar hohen Speichelsekretion wie bei der Fütterung von Heu auszugehen. Bei Struktur 2 und Struktur 3 ist hingegen eine niedrigere Speichelproduktion (ähnlich wie bei der Fütterung von Krippenfutter) zu erwarten.


Sind Strukturfutter/-müsli aufgrund ihrer Eigenschaften als Rau- oder Kraftfutter einzuordnen?

Zu den Kraftfuttermitteln werden nicht nur getreidehaltige, sondern auch getreidefreie Futtermittel mit konzentrierter oder kurz gehäckselter Struktur gezählt. Demnach kann auch ein Teil der Strukturfutter/-müsli in diese Kategorie eingeordnet und vergleichbare Auswirkungen auf die Verdauungsphysiologie im Magen-Darm-Trakt erwartet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Fütterungsversuch zeigen, dass sich die auf dem Markt angebotenen Strukturfutter/-müsli erheblich voneinander unterscheiden und somit auch ihre möglichen Auswirkungen auf die Verdauungsphysiologie. Für Struktur 1 sind ähnliche Einflüsse auf den Verdauungstrakt zu erwarten wie bei einer Raufutterfütterung, für Struktur 2 und Struktur 3 wie bei einer Kraftfutterfütterung.


Worauf gilt es bei der Wahl eines Strukturfutters/-müsli zu achten?

Bei der Auswahl eines Strukturfutters/-müsli ist neben der Zusammensetzung, den analytischen Bestandteilen und den Zusatzstoffen vor allem die Futtermittelstruktur entscheidend. Wichtige Parameter sind der Gehalt an strukturwirksamer Rohfaser und der Anteil an für das Pferd idealen Fasern (4 – 8 cm Länge). Werden diese Eigenschaften erfüllt, ist davon auszugehen, dass bei der Fütterung folgende Punkte zutreffen:

  • lange Futteraufnahmezeiten
  • hohen Anzahl an Kauschlägen
  • hohe Speichelproduktion
  • niedrige Trockensubstanzgehalte und eine lockere Struktur des Futterbreis
  • gute Aufbereitung für die nachfolgenden Verdauungsprozesse

Was sollte bei der Fütterung eines Strukturfutters/-müsli beachtet werden?

Viele Pferde benötigen hinsichtlich ihres Energie- und Proteinbedarfes kein Kraftfutter und demnach auch keine Strukturfutter/-müsli. Hier ist jedoch nicht von einer „Handvoll“ die Rede, um Mineralfutter und andere Futterzusätze unterzumischen. In Frage zu stellen sind zum Teil die angegebenen Fütterungsempfehlungen der Hersteller. Für ein 500 kg schweres Pferd liegen die Empfehlungen für die Strukturfutter/-müsli bei 0,5 - 2,5 kg (OS) – dies entspricht, bezogen auf die dadurch zugeführte Menge an Energie oder Protein, bis zu 4 kg Heu (OS)! Die Fütterung von Strukturfuttern/-müsli sollte auf die Notwendigkeit hin überprüft, immer individuell angepasst und mit ausreichender Berücksichtigung in der Rationsgestaltung erfolgen.

Falls Sie auf ein Strukturfutter/-müsli zurückgreifen möchten, empfehlen wir Ihnen bei der Auswahl die beschriebenen Kriterien im Hinterkopf zu behalten, denn das ein oder andere Strukturfutter/-müsli (wie z. B. Struktur 1) scheint sich deutlich vom Rest zu unterscheiden und der Bezeichnung „Strukturfutter/-müsli“ am ehesten gerecht zu werden.

Die Frage, ob der Name und die getroffenen Werbeaussagen das halten was sie versprechen, kann somit nur individuell beantwortet werden.


Verfasserin: Neele Regett; basierend auf der im Rahmen der Ausbildung zum Ernährungsberater für Pferde am College Caball erstellten Facharbeit
Quellen: Bender, I. (2015): Pferdehaltung und Fütterung, 1. Auflage, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart; Brüssow, N. A. S. (2006): Effekte verschiedener Futtermittel und -bearbeitungsformen auf die Futteraufnahmedauer, die Kaufrequenz und die Kauintensität beim Pferd, Dissertation, Online Ressource: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:95-91852, Abruf: 25.09.2020; Coenen, M., Vervuert, I. (2019): Pferdefütterung, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart; Collinson, M. (1994): Food processing and digestibility in horses (Equus caballus), Dissertation, Monash University, Clayton; Ellis, A. D., Hill, J. (2005): Nutritional physiology of the horse, Nottingham University Press, Nottingham, Nr. 1, S. 10 29; Fritz, C. (2017): Pferde fit füttern - Wie ich mein Pferd artgerecht ernähre, 5. Auflage, Cadmos Verlag, Schwarzenbek; Hoffmann, M. (2011): Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung der Strukturwirksamkeit von Rationen für Milchkühe, Online Ressource: http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:Rfo3lNHIg4UJ:www.dr-pieper.com/wp-content/uploads/2014/08/Tagungsbericht-2011-03.pdf+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=de&client=firefox-b-d, Abruf: 25.09.2020; Meyer, H., Ahlswede, L., Reinhardt, H. J. (1975): Untersuchungen über Freßdauer, Kaufrequenz und Futterzerkleinerung beim Pferd, Deutsche Tierärztliche Wochenschrift, Nr. 82, S. 54 – 58; Scheurer, A., Locher, E., Herholz, C., Vervuert, I. (2017): Was leisten Ergänzungsfuttermittel für die Kautätigkeit von Pferden?, Agrarforschung Schweiz, Nr. 8 (10), S. 396 – 401; Zeitler-Feicht, M. H. (2008): Handbuch Pferdeverhalten -Ursachen, Therapie und Prophylaxe von Problemverhalten, 2. Auflage, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart