Das Pferd besteht aus ca. 60 Billionen Zellen - jede einzelne Zelle ist eine eigene Lebenseinheit mit eigenem Stoffwechsel (Atmung, Stoffwechsel, Zellerneuerung und Zelltod). Alle Stoffwechselvorgänge die im Organismus des Pferdes ablaufen werden letztendlich durch die regelmäßige Aufnahme von Atemluft, Trinkwasser und Nahrung aufrechterhalten und wesentlich beeinflusst. Im Darm des Pferdes befinden sich die meisten Abwehrzellen des Körpers und somit ist der Verdauungstrakt nicht nur das größte, sondern auch das wichtigste Organ für das Immunsystem unserer Vierbeiner. Dadurch wird deutlich, dass der gesamte Verdauungstrakt des Pferdes, im Speziellen der Darm, die Wiege der Gesundheit darstellt.

FUN-FACT:

Pferde haben mit Nagetieren mehr gemein als mit Wiederkäuern oder Allesfressern.
Wie z. B. der Hase sind Pferde auf eine kontinuierliche Aufnahme kleiner Nahrungsmengen angewiesen: sie verfügen über einen kleinen Magen, einen funktionalen Blinddarm und sind Dickdarmverdauer. Das bedeutet, der Darm ist auf eine mikrobielle Zelluloseverdauung ausgelegt.

Der Magen-Darm-Trakt des Pferdes ist sehr komplex, reagiert extrem empfindlich auf Veränderungen und ist anfällig für Störungen – um die Ursachen hierfür zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick in die Vorgänge des Verdauungsapparates.
Der Verdauungsapparat des Pferdes besteht im Wesentlichen aus dem Kopfdarm (Lippen, Maulhöhle, Zähne und Speiseröhre), Magen (Blindsack, Fundus und Magenausgang), Dünndarm (Zwölffingerdarm, Leerdarm und Krummdarm) und dem Dickdarm (Blinddarm, Grimmdarm, Mastdarm). Jeder einzelne Abschnitt wird während des Verdauungsprozesses insbesondere von der Art, der Zusammensetzung und der Menge des aufgenommenen Futters beeinflusst. In jedem Abschnitt des Verdauungstraktes herrschen unterschiedliche pH-Werte, die die Arbeit der Enzyme und Bakterien maßgeblich bestimmen, da diese sehr empfindlich auf Veränderungen des pH-Wertes reagieren.


Verdauung des Pferdes – ein Schnelldurchlauf

Die Verdauung beginnt bereits im Maul:

Tasthaare, Lippen und Zunge

  • Selektieren
  • Schmecken (fördert Appetit)
  • Zunge befördert Nahrung nach hinten

Zähne und Kiefer

  • Rupfen
  • Kauen
  • Backenzähne zermahlen und quetschen

Einspeicheln (durch Futteraufnahme ausgelöst) – Wozu ist der Speichel wichtig?

  • Futter einweichen, quellen
  • pH-Wert von Speichel etwa 7,5
  • Pufferwirkung - Salze im Speichel schaffen basisches Milieu
  • Speichel ist bakterienfeindlich
  • Schleimstoffe erhöhen Gleitfähigkeit (schlüpfrig, schluckfähig)
  • Zahngesundheit
Der Verdauungstrakt des Pferdes im Überblick.

Der Magen

Fakten: Pferde sind von Natur aus auf die kontinuierliche Aufnahme kleiner Futtermengen eingestellt. Der Pferdemagen ist daher mit 15 – 20 Litern im Vergleich zum restlichen Verdauungstrakt relativ klein und kann sich im Gegensatz zu dem Magen des Menschen kaum ausdehnen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Pferdemagen sich in einen drüsenlosen und einen drüsenhaltigen Teil untergliedert, wohingegen der Menschenmagen durchgehend mit einer drüsenhaltigen Schleimhaut ausgekleidet ist.

Aufgaben: Im Idealfall sorgt der Magen für eine gleichmäßige Durchsaftung und Durchmischung des Nahrungsbreis und schafft durch die Magensäure ein eher bakterienfeindliches Milieu.

Der Magen des Pferdes besteht aus drei Abschnitten:

Dem drüsenlosen Blindsack, in dem eine erste mikrobielle Vorverdauung von Zucker, Stärke und z. T. auch Eiweißen stattfindet. Es entstehen flüchtige Fettsäuren, Gase und Milchsäurebakterien.

Dem drüsenhaltigen Fundusteil, in dem die Drüsen Magensäure produzieren und der pH-Wert auf < 5 sinkt.

Dem drüsenhaltigen Magenausgang (auch Pförtner genannt), der die Mündung in den Dünndarm darstellt. Pepsin (Enzym) sowie weitere Magensäure kommen hinzu und die Vorverdauung der mit der Nahrung aufgenommenen Eiweiße beginnt. Der pH-Wert sinkt auf 3,0 – 1.

Intensives Kauen bedeutet:

  • gut eingespeicheltes und zermahlenes Futter
  • Speisebrei kommt kontinuierlich im Magen an
  • gleichmäßige Durchsaftung des Speisebreis mit dem Speichel und der im Magen entstehenden Magensäure
  • ausreichende Absenkung des pH-Wertes
    • Einschränkung der bakteriellen Tätigkeit
    • Vorverdauung u. a. von Eiweißen und leicht verdaulichen Kohlenhydraten
  • Vorbereitung für eine gute Dünndarmverdauung

Der Dünndarm bestehend aus Zwölffinger-, Leer- und Krummdarm

Fakten: Der Dünndarm ist mit stolzen 19 - 30 Metern Länge der längste Abschnitt des Verdauungstraktes und wird von der Nahrung binnen 1,5 Stunden passiert. Hier befinden sich unzählige feine Blutgefäße, Drüsen und sogenannte Darmzotten, die die Schleimhautoberfläche vergrößern. Diese enthalten wiederum Zellen, die vor Bakterien und Keimen schützen und Nährstoffe in die Blutbahn abgeben.

Aufgaben: Enzymatische Verdauung und Aufschlüsselung von leicht verdaulichen Nahrungsbestandteilen, wie Zucker, Stärke, Eiweiße und Fette. Aufnahme von Mineralstoffen, Spurenelementen, essenziellen Aminosäuren und wasserlöslichen Vitaminen.

Der Dünndarm des Pferdes besteht aus drei Abschnitten

Der Zwölffingerdarm – hier münden Gallen- und Bauchspeicheldrüsensekrete in den Darm. Die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit und das Bauchspeicheldrüsensekret neutralisieren u. a. den Verdauungsbrei und schaffen somit ein neutrales Darmmilieu beim Pferd. Erst dadurch können die Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse ihre Aufgabe erfüllen und die aufgenommenen Nahrungsbestandteile zu Aminosäuren, Glukose und ersten Fettsäuren abbauen. Die Aufnahme der Nährstoffe über die Darmschleimhaut beginnt bereits im Zwölffingerdarm, die Hauptaufnahme findet dann im größten Abschnitt des Dünndarms, dem Leerdarm, statt.

Der Verdauungstrakt des Pferdes ist an rohfaserreiche und stärkearme Nahrung angepasst. Stärkeverdauende Enzyme sind daher nur in geringer Menge im Dünndarm vorhanden, d. h. eine sehr stärkereiche Fütterung kann zu einer Anflutung von unverdauter Stärke im Dickdarm führen.

Der sogenannte Krummdarm ist die Schleuse zum Dickdarm. Hier landen schwer verdauliche Faserteile aus Heu und Stroh und werden zum Dickdarm weitergeleitet. Ein starker Schließmuskel verhindert weitestgehend einen Rückfluss von bakterienreichem Dickdarminhalt in den bakterienarmen Dünndarm.

Der ideale pH-Wert des Dünndarms liegt anfänglich bei 7,0 und steigt bis zum Übergang in den Dickdarm auf bis zu 8,5 an.


Der Dickdarm bestehend aus Blind-, Grimm- und Mastdarm

Fakten: Mit 6 - 9 Metern Länge ist der Dickdarm im Verhältnis zum Dünndarm deutlich kürzer. Allerdings ist sein Fassungsvermögen mit über 130 Litern (Großpferd) extrem groß. In den einzelnen Dickdarmabschnitten verweilt das Futter gut 30 Stunden. Wer feststellen möchte, inwiefern der Dünndarm und der Dickdarm zusammenarbeiten und eine gesunde Verdauung stattfindet, kann das sogenannte „Einspritzgeräusch“ vom Krummdarm in den Blinddarm alle 1 - 3 Minuten hören (Lage: rechte Flanke am Fellwirbel/Hungergrube).

Aufgaben: Mikrobielle Fermentation der Nahrung, Aufnahme fettlöslicher Vitamine und Produktion der Vitamine B und K sowie von Fett- und Aminosäuren.

Die Hauptverdauungsarbeit spielt sich zum größten Teil im hinteren Verdauungstrakt des Pferdes ab. In diesem Teil leben unzählige Bakterien (Darmflora oder Darmsymbionten). Etwa die Hälfte der Trockenmasse im Dickdarm des Pferdes sind Bakterien, Pilze und Protozoen. Damit siedeln im Dickdarm zehnmal so viele Mikroorganismen, wie das Pferd Körperzellen hat. Deren Aufgabe bei der Verdauung besteht darin, die komplexen Strukturkohlenhydrate so zu zerkleinern, dass ihre Bausteine anschließend aufgenommen und zur Energiegewinnung genutzt werden können.

Die Vorarbeit hierfür liefert der erste Abschnitt des Dickdarms, der Blinddarm als sogenannte Gärkammer. Im Blinddarm und im anschließenden Grimmdarm findet der mikrobielle Abbau von Strukturkohlenhydraten, wie u. a. Zellulose, statt. Die anaerobe Darmflora baut die Zellulose ab und es entstehen flüchtige Fettsäuren, die dem Pferd als Energielieferanten zur Verfügung stehen.

Im Grimmdarm wird zudem das Innere der bis dahin unverdauten Pflanzenzellen, d. h. Mineralien, Spurenelemente, Vitamine, Bioflavonoide, Eiweiße, Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker, freigesetzt. Zucker, Fettsäuren sowie fettlösliche Vitamine werden hauptsächlich dem Organismus zur Verfügung gestellt. Ein Großteil der anderen Nährstoffe dient der eigenen Versorgung der Mikrodarmflora.

Im letzten Abschnitt des Grimmdarms, aber auch verstärkt im Mastdarm (Rektum), wird der Futterbrei eingedickt (Wasser entzogen). Alles was nicht verdaut werden konnte, wird in der Aussackung des Mastdarms zu den typischen Kotballen geformt und ausgeschieden.

Der pH-Wert des Dickdarms liegt im Idealfall anfänglich bei 8,5 und sinkt bis zum Übergang zum Anus auf 6,5 ab.


Fehlgärungen und ihre Folgen

Voraussetzung für eine gesunde Verdauung des Pferdes ist die Wahl von typgerechten Futtermitteln. Diese fördern eine hohe Kauaktivität, ein ausreichendes Einspeicheln des Nahrungsbreis und somit eine gute Vorbereitung für die Verdauung im Magen-Darm-Trakt.

Fehler im Futtermanagement, qualitativ minderwertiges Futtermittel, Medikamente und Stress können sich negativ auf den Verdauungsprozess des Pferdes auswirken.

Bereits im Magen kann sich dies in Form von Magengeschwüren oder einer Magenüberladung bemerkbar machen. Ursächlich für Magenüberladungen sind häufig sehr kurzes Gras oder konzentrierte Futtermittel, die schon im Magen durch diverse Gärprozesse stark aufquellen. Die fehlende Eigenschaft des Pferdemagens sich ausreichend auszudehnen, führt sehr schnell zu massiven Koliksymptomen, die schlimmstenfalls in einer Ruptur (Riss) der Magenwand enden können. Neben der Gefahr einer Magenüberladung ist oftmals eine unsachgemäße Fütterung für eine pH-Wertverschiebung innerhalb des Futterbreis verantwortlich.

Im Dünndarm setzen sich die Folgen einer pH-Wertverschiebung fort: die im Futterbrei entstandenen Bakterien und Keime gelangen in den bakterienarmen Dünndarm. Diese überlebenden Mikroorganismen produzieren neben Gasen auch Säuren (z. B. Milchsäuren und Fettsäuren) und senken den pH-Wert wiederum ab. Die Aktivität der Enzyme ist von einem bestimmten pH-Wert im Dünndarm abhängig. Idealerweise liegen im Dünndarm neutrale bis leicht basische pH-Werte vor. Bereits ein geringfügiger Abfall des pH-Wertes reduziert die enzymatische Aktivität um ein Vielfaches und nimmt damit massiven Einfluss auf die Nährstoffverwertung des Nahrungsbreis.

Der Dickdarm des Pferdes ist auf die mikrobielle Verdauung von Strukturkohlenhydraten aus rohfaserreichen Futtermitteln ausgelegt. Gelangt nun, aufgrund der zuvor beschriebener Probleme, z. B. zu viel der enzymatisch unverdauten Stärke in den Dickdarm, kommt es zu einer übermäßigen Vermehrung von beispielsweise Milchsäurebakterien, die die natürliche rohfaserverdauende Darmflora verdrängen und den Darminhalt ansäuern. Erste Anzeichen wie übel riechender Kot, Durchfall, Kotwasser, Blähungen, Infekte oder Allergien können auf eine solche Entgleisung der Darmflora hindeuten.


Verschiebungen in der Darmflora beim Pferd haben auch Auswirkungen auf ein intaktes Immunsystem

Da sich in der Darmschleimhaut des Pferdes eine Vielzahl von Immunzellen befindet, die in enger Symbiose mit den gutartigen Darmbakterien leben, geht auch deren Anzahl bei einer negativen Verschiebung der Darmflora stark zurück. Unweigerlich führen diese Symptome auch zum Leistungsabfall und einem immer schwächer werdenden Immunsystem. Darüber hinaus führt das Sterben von Millionen von Bakterien (pro Gramm Kot ca. 2 Millionen) zur Entstehung von sogenannten Endotoxinen, die neben massiven Stoffwechselstörungen schwere Leberbelastungen und Hufrehe hervorrufen können.


Auf einen Blick: Verdauung – auf das Futter kommt es an!

Prozesse Verdauungstrakt Pferd

Fazit: Eine genauere Betrachtung der Verdauungsvorgänge des Pferdes zeigt, wie immens wichtig eine typgerechte, rohfaserreiche Fütterung ist. Wenn die Regeln einer pferdegerechten Fütterung beachtet werden, steht einem gesunden langen Pferdeleben nichts im Wege.

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Verfasserin: Valeria Wenk, Ernährungstherapeutin f. Pferde
Quellen: Coenen, M., Vervuert, I. (2019): Pferdefütterung, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart; Fritz, C. (2017): Pferde fit füttern - Wie ich mein Pferd artgerecht ernähre, 5. Auflage, Cadmos Verlag, Schwarzenbek; SaluVet GmbH (2020): Spezialfall Pferd – der Magen-Darm-Trakt, Webinar, 18.08.2020