Häufiger wird man in der Ernährungsberatung mit Pferden konfrontiert, die ihr Idealgewicht bereits überschritten haben. Dennoch sind zu dünne Pferde keine Seltenheit. Die korrekte Beurteilung, wann nun ein Pferd zu dick oder dünn ist, liegt zunächst beim Betrachter bzw. Pferdebesitzer selbst. Wertvolle Tipps zur Fütterung dünner PferdeNur hier scheinen wir insbesondere in Europa anders zu urteilen wie auf Kontinenten, wo nicht nur die Nutztiere sondern auch die Menschen deutlich weniger auf den Rippen haben. Daher werden die Pferde seit 1988 anhand einer BCS-Skala beurteilt. Es waren die Wissenschaftler CARROLL & HUNTINGTON, die damals 5 Einteilungen für Pferde vornahmen. Über die Jahre hinweg entwickelten sich immer wieder neue Skalen mit unterschiedlichen Parametern, um die Pferde unterschiedlichen Ernährungszuständen zuordnen zu können. Heute hat sich über Europa hinaus die 2003 von Prof. Dr. Ellen Kienzle und Dr. Stephanie Schramme entwickelte BCS-Skala etabliert. Hier wird das Pferd mittels eines sogenannten Body Condition Scoring Systems mit neun unterschiedlichen Stufen von 1 für ausgezehrt bis 9 für fettsüchtig eingestuft. Im Ergebnis wurde aber auch deutlich, dass weder das Gewicht, der Brustumfang oder die Beurteilung der Kruppe ausreicht, um den Ernährungszustand zuverlässig zu beurteilen. Erst Hals, Schulter, Brust, Hüfte, Rückenlinie und Schweifansatz gemeinsam beurteilt, ergeben eine verlässliche Aussage, ob das Pferd bereits zu dünn oder zu dick ist.


Wann ist das Pferd lt. BCS-Skala zu dünn?

  • die Dornfortsätze der Wirbelsäule sind nicht bedeckt
  • von hinten betrachtet ist die Kruppe spitz statt rund oder herzförmig
  • unter dem Schweif berühren sich die Oberschenkel nicht
  • mehrere Rippen sind komplett sichtbar
  • Hungergrube vor dem Hüfthöcker ist stark eingefallen

Idealerweise haben Warmblutpferde im Gegensatz zu Jung- oder Distanzpferden einen BCS von 6. Deutlich dünner dürfen Distanz- oder Galopprennpferde sein. Selbst Jungpferde und Fohlen sind bei einem BSC von 4 bis 5 noch nicht zu dünn. Für den Besitzer aber dürfte es schwer sein, dies zu akzeptieren und damit beginnt der Teufelskreis. In den jungen Entwicklungsjahren des Pferdes werden diese bereits an den idealen BCS für erwachsene Warmblutpferde von 6 herangefüttert, obwohl gerade diese ruhig etwas dünner sein sollten. Viele junge Pferde werden für Zuchtschauen oder Verkaufsportale auf ein perfektes „Äußeres“ hin gefüttert und dünne Pferde als schwach, verwurmt oder krank angesehen.

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Fohlen und heranwachsende Pferde dürfen bzw. sollten etwas schlanker sein als erwachsene Pferde. Distanzreitpferde (BCS 4 bis 5 und Vollblut- sowie Sportpferde dürfen auch etwas dünner sein (BCS 5).


Dünnes Pferd – muss ich mir Sorgen machen?

Wie bereits oben erwähnt wird es unterschiedliche Interpretationen geben und nur selten handelt es sich - bei den bei uns ratsuchenden Pferdebesitzern - um besorgniserregend unterernährte Pferde. Dennoch kommt es insbesondere bei Pferden die im Sport eingesetzt werden zu Leistungseinbußen, wenn die Energiereserven (Fettpolster) fehlen. Wird hier keine Korrektur vorgenommen, dauert es nicht lange, bis auch die Muskulatur abbaut, da am Ende wichtige Aminosäuren aus der Muskulatur als verwertbare Energiequelle herangezogen werden.

Als erstes sollte abgeklärt werden, warum mein Pferd zu dünn ist. Hier sind unterschiedlichste Faktoren für einen möglichen Gewichtsverlust denkbar.

Ursachen für ein zu dünnes Pferd:

  • zu wenig oder verdorbenes Grundfutter (Weidegras, Heu, Stroh, Wasser)
  • zu viel Kraftfutter
  • Parasiten
  • schlechte Zähne, Kieferverletzungen (Bruch, Fissur)
  • altersbedingte Gewichtsverluste
  • Magengeschwür
  • Stoffwechselerkrankungen (z.B. Cushing, Borreliose, Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion)
  • Stress, Überforderung
  • Leber- oder Nierenprobleme
  • Schmerzen (meist chronisch)
  • vorangegangene schwere Krankheit oder Operation
  • Infektionen (hohes Fieber)
  • langanhaltende Antibiotikabehandlung
  • Proteinunterversorgung
  • Mangel an Spurenelemente oder Mineralstoffen
  • Darmerkrankungen
  • Tumore insbes. im Verdauungstrakt

Die Ursachenforschung sollte in enger Zusammenarbeit mit einem Tierarzt, der insbesondere für die Diagnostik hilfreiche Werte liefern kann, erfolgen. In diesen Fällen sind ein großes Blutbild, eine umfangreiche Kotuntersuchung und ein allgemeiner Gesundheitscheck des Pferdes unabdingbar. Die Überprüfung der Futterrationen und des Futtermanagements sollte von einem erfahrenen Ernährungsberater vorgenommen werden. Aber auch dieser kann nur brauchbare Vorschläge liefern, wenn mögliche systemische Erkrankungen vorab überprüft worden sind. Im Regelfall nehmen abgemagerte Pferde aus schlechten Haltungen sehr schnell wieder zu, wenn die Rationsgestaltung optimiert wird.

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Bleiben aber Gewichtszunahmen trotz hochwertiger und bedarfsgerechter Fütterung aus – sollte spätestens dann ein Tierarzt gerufen werden. Unterernährung kann für Pferde sehr schnell lebensbedrohlich werden.


Abgemagerte Pferde wieder aufpäppeln

Obwohl man eigentlich in der heutigen Zeit davon ausgehen könnte, dass in Deutschland der Tierschutz einen hohen Stellenwert hat und somit abgemagerte bzw. ausgemergelte Pferde eher eine Seltenheit sind, muss man viel zu oft vom traurigen Gegenteil Kenntnis nehmen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht von der Rettung völlig vernachlässigter Pferde und Esel berichtet wird. Viele von uns haben bereits selbst aktiv bei einer Rettung solcher Tiere mitgemacht. Der größte Fehler, der hier passieren kann ist, dass man es anfangs viel zu gut meint. Achten Sie darauf, dass auch hier die täglichen Rationen und Futtermengen auf den allgemeinen Gewichts- und Gesundheitszustand angepasst werden. Auch sollte die Entwurmung dieser Pferde im Vordergrund stehen. Je geschwächter solche meist aus schlechter Haltungen kommenden Pferde sind, desto stärker sind diese mit Parasiten im Darm und auf der Haut befallen. Diese entziehen solchen Pferden auch noch die letzte Lebensenergie. Da häufig der gesamte Verdauungsapparat stark beeinträchtigt ist und auch die Darmflora häufig wenig Gegenwehr zu bieten hat, sollte die Fütterung sehr langsam nach oben gefahren werden. Durch die langen Hungerphasen leiden solche Pferde meist an schweren Magen- und Darmschleimhautreizungen. Einerseits sollte zur Anregung der Verdauung möglichst viel Raufutter gefüttert werden – aber anderseits wird dies wegen fehlender Rohfaser verdauender Bakterien nicht ausreichen, um die nötige Energie bereit zu stellen. Hier macht regelmäßig gefüttertes „Mash“, wie z.B. entzuckerte Rübenschnitzel, kleinere Mengen Weizenkleie, eingeweichter Leinsamen, Hafer- oder Maisflocken ebenfalls Sinn. Füttern Sie aber hiervon 3- bis 5-mal täglich kleine Portionen, da der Blutzuckerspiegel und der Verdauungstrakt durch die im Futter enthaltenen Stärken nicht übermäßig belastet werden sollte. Die genaue Menge sollte individuell und in Zusammenarbeit mit einem Tierarzt oder Ernährungsprofi abgesprochen werden. Auch Öl kann in geringen Mengen dem Futter zugegeben werden. Grundsätzlich gilt aber hier, dass die abgemagerten Pferde langsam an die neuen Futtermengen herangeführt werden.

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Es versteht sich von selbst, dass solche Pferde erst geritten werden, wenn ein BCS von mindestens 4 bis 5 erreicht wurde. Das schließt aber nicht aus, dass angepasste Bewegung und stressfreies Training vom Boden aus eine schnellere Genesung fördert. Gewöhnen Sie abgemagerte Pferde langsam an die neuen Futtermengen und nehmen Sie unbedingt eine hochwertige Mineral- und Spurenelementversorgung vor.


Trotz Kraftfutter nimmt mein Pferd nicht zu

Dieses von vielen Pferdebesitzern geschilderte Phänomen begegnet mir häufig. Dass Kraftfutter in großen Mengen am Ende auch abgemagerten oder dünnen Pferden wieder zu mehr Masse verhilft, ist ein Trugschluss. Selbst hier gilt die Regel, dass der überwiegende Anteil des Grundfutters über Heu bereitgestellt werden muss. Um Kraftfutter (Hafer, Mais, Gerste oder Mash) verdauen zu können, müssen die im Getreide enthaltenen Stärken enzymatisch aufgeschlossen werden. Pferde können dies aber nur limitiert, da die Amylasen (Enzyme) nur sehr begrenzt im Dünndarm dafür zur Verfügung stehen. Meistens haben aber diese Pferde noch eine sehr eingeschränkte enzymatische Aktivität und daher gelangt bei zu großen Mengen diese Stäke unverdaut in den Dickdarm. Dieser ist aber auf derartige leicht verdauliche Kohlenhydrate nicht eingestellt und reagiert mit dem Wachstum von Milchsäurebakterien. Die Darmflora kippt – das Hufreherisiko steigt massiv an. Kann der Dünndarm bereits ausreichend Stärke verdauen – oder stellt man hydrothermisch aufgeschlossenes Getreide zur Verfügung = hohe Dünndarmverdaulichkeit - lässt dieser Umstand den Blutzuckerspiegel sprunghaft ansteigen. Abgemagerte Pferde werden aber in diesem Zustand meist nur sehr beschränktem Training ausgesetzt und der so wichtige Abbau des Blutzuckers findet nicht schnell genug statt. In kurzer Zeit entsteht hier eine Insulinresistenz mit allen Folgen (Diabetes, EMS usw.). Auch kann die Weiterverarbeitung des Zuckers nur unter optimaler Versorgungslage stattfinden. Da dünne Pferde aber häufig auch massive Vitalstoffmängel aufweisen ist ein funktionierender Kohlenhydratstoffwechsel zunächst nicht sichergestellt.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Kraftfutter sehr viel Protein enthält. Pferde können aber das über das Futter bereit gestellte Protein nur begrenzt verwerten. Überschüssiges Protein belastet den Entgiftungsstoffwechsel, da dies über Leber und Nieren ausgeschieden werden muss. Die Entgiftung des Pferdes ist sehr energieraubend und führt am Ende nicht zur gewünschten Gewichtszunahme.

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Füttern Sie grundsätzlich überwiegend Heu. Kraftfutter verabreichen Sie nur in täglich mehrmals kleinen Mengen. Zu viel Kraftfutter führt eher zu Gewichtsverlust und erhöht das Risiko einer Stoffwechselentgleisung bis hin zur Hufrehe.


Altes Pferd zu dünn – wie füttern?

Alte Pferde sind häufig zu dünn. Was kann man füttern!Wenn die Pferde alt werden, verlieren sie häufig an Gewicht. Die Frage nach dem richtigen Futter - um diese Pferde wieder aufzupäppeln - wird sehr häufig an uns gestellt. Pferde sind Individuen und daher ist auch der Weg zu einem Normalgewicht recht unterschiedlich. In vielen Fällen sind es die Zähne der alten Pferde, die eine Nahrungsaufnahme und insbesondere die verdauungsgerechte Zerkleinerung des Futters nicht mehr ermöglichen. Deshalb sollte hier regelmäßig ein gewissenhafter Zahncheck vorgenommen werden (alle 6 Monate), um eventuell schmerzhafte oder störende Zähne zu behandeln. Fehlen bereits wichtige Zähne, muss das Futter häufig altersgerecht zubereitet werden. Hier bieten sich eingeweichte Heu- oder Grascobs, entzuckerte Rübenschnitzel und kleinere Mengen Weizen- oder Reisschälkleie an. Bedenken Sie, dass insbesondere Reisschälkleie einen hohen Stärkegehalt und Weizenkleie einen hohen Phosphorgehalt hat und daher nur kleinere Mengen zugefüttert werden sollten. Ähnlich verhält es sich mit dem Mais. Hier dürfen zur Vermeidung von Zahnschäden nur geflockter bzw. gepoppter Mais bereitgestellt werden. Mais hat zwar einen hohen Anteil an Fett und weniger Eiweiß, belastet aber am Ende dennoch den Entgiftungsstoffwechsel, wenn man es bei der Rationsmenge zu gut meint. Der Hafer weist eine hohe Dünndarmverdaulichkeit auf, setzt aber eine entsprechend gute enzymatische (Amylasen) Aktivität voraus. Auch sollte bedacht werden, dass alle thermisch aufbereiteten Getreidesorten aufgrund der höheren Verdaulichkeit den Blutzuckerspiegel überproportional ansteigen lassen. Gerade ältere Pferde mit Stoffwechselerkrankungen wie z.B. Cushing sollten daher nur sehr vorsichtig damit gefüttert werden. Viele Mischfutter für ältere Pferde legen daher auch Wert auf eine sehr fettreiche Futtermischung. Grundsätzlich ist dies ein guter Ansatz. Achten Sie aber darauf, dass hier Öle oder Fette verwendet werden, die auch leicht verdaulich sind und bestenfalls einen hohen Anteil an Omega 3 Fettsäuren aufweisen (z.B. Leinöl).

Vorsichtig sollten Sie auch bei der Rationsmenge sein. Der Pferdemagen fasst vom Pony zum Warmblut i.d.R. zwischen 5 und 15 Liter. Rübenschnitzel, Heucobs oder Wiesenflakes quellen gerne noch im Magen etwas nach. Achten Sie daher darauf, dass die einzelne Futterration auch Platz im Magen hat, da sonst lebensbedrohliche Magenkoliken bis hin zur tödlichen Magenruptur entstehen können. Es versteht sich von selbst, dass Futter nur in einwandfreiem Zustand in den Futtertrog der Pferde kommt.

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Gehen Sie mit den Getreidemengen sparsam um. Sie sollten bestenfalls Hafer oder thermisch aufbereitetes Getreide zur Verfügung stellen. Die Mengen dürfen aber auch hier gerade bei Pferden mit Stoffwechselerkrankungen nur sehr gering ausfallen. Verwenden Sie leicht verdauliche Öl, wie z.B. Leinöl und heben Sie diese Mengen nur sehr langsam an. Prüfen Sie regelmäßig die Zähne des alternden Pferdes.


Der Bedarf an Vitalstoffen und Aminosäuren bei zu dünnen Pferden

Häufig weisen zu dünne Pferde auch eklatante Defizite im Vitalstoffhaushalt auf. Eine gute, auf das Pferd angepasste Versorgung ist hier auf jeden Fall angeraten. Hochwertige Mineralfutter, wie z.B. das Mineral Plus oder das EQUIPUR–senior (für ältere Pferde) sollten unverzichtbare Begleiter während des „Aufpäppelns“ des betroffenen Pferdes sein. Cushingpferde sollten das N-Sulin erhalten. Als Öl kann das Omega Balance Öl oder EquiPower Leinöl verwendet werden. Pferde die massiv an Muskulatur verloren haben müssen ggf. mit hochwertigen Aminosäuren versorgt werden. Eine gute native Quelle ist hier der Lein- oder Chiasamen oder das Soja- bzw. Erbsenprotein. Denken Sie aber bitte auch daran, dass kein Muskelaufbau ohne entsprechendes Training stattfinden kann – unabhängig davon, ob Sie viel Geld in spezielle Ergänzungsfutter investieren oder nicht. Auch Kräutermischungen für die Verdauung, die Durchblutung oder das Immunsystem liefern hochwertige native Vital- und Wirkstoffe. Über den Einsatz und die Dauer einer solchen Kur sollten Sie sich an einen unserer Ernährungsberater oder erfahrenen Tierarzt oder Therapeuten wenden.

Fazit: Häufig liegen gesundheitliche Vorschäden oder psychische Einflüsse vor, die dazu führen, dass Pferde nicht mehr zunehmen. Daher setzt eine erfolgreiche Fütterung eine enge Abstimmung und vorherige genaue Anamnese oder Untersuchung des zu dünnen Pferdes voraus. Sehr alte Pferde bauen trotz guter Versorgung schleichend ab. Ein Prozess, der uns leider vor Augen führt, dass der Abschied näher rückt. Dennoch kann auch dieser Abschnitt durch entsprechend gute Futterauswahl und Betreuung fürs Pferd sicher noch einige Zeit hinausgezögert werden. Die gezielte Zufütterung abgemagerter Pferde verlangt große Fachkenntnis und ein gut organisiertes Futter- und Haltungsmanagement. Denken Sie auch daran, dass viel auch hier oft nicht viel hilft.