Ich habe zu diesem Thema im Teil 1 zunächst über das natürliche Fressverhalten von Wildpferden berichtet. Anhand der wissenschaftlichen Publikationen über das Fressverhalten von in der Wildnis lebenden Tieren wurde deutlich, dass Pferde auch in freier Wildbahne keine 24 Stunden fressen. Es waren zum größten Teil 12 bis 16 Stunden, die Pferde mit der Futteraufnahme beschäftigt waren. Diese wichtige Erkenntnis entspannt ggf. das Futtermanagement von bei uns in Obhut lebender Pferde und könnte für den ein oder anderen ein Ansatz dafür sein, die bisherige Fütterung seiner Pferde zu überdenken bzw. zum Wohle der Pferdegesundheit zu verbessern.

Dieser Artikel ist die Fortsetzung von: Teil 1: Fressverhalten der Pferde – was bisher bekannt ist

Das Fressverhalten von Pferden kann vielseitig begutachtet werden.Als Dozent des College Caball bilde ich junge Menschen zu Ernährungstherapeuten für Pferde aus. Während dieser aus über 130 Unterrichtseinheiten bestehenden Ausbildung müssen die Studenten auch während der Zeit zwischen den Studienblöcken eine Facharbeit schreiben. Im letzten Jahr sollten eigene Beobachtungen und Studien zu unterschiedlichen Fütterungstechniken und -praktiken der Heufütterung erfasst und ausgewertet werden. Die mittlerweile an die 25 vorhandenen Beobachtungen bzw. Ergebnisse an über 60 Pferden sind ausgesprochen interessant, da diese doch immer wieder von dem abweichen, was bisher als „Standard“ oder „normal“ angesehen wurde.

Ziel der Studie war es, dass die Studenten ein Gefühl dafür bekommen, dass Pferde grundsätzlich sehr individuell auf diverse Fütterungspraktiken reagieren. Nicht alle Pferde – ich würde fast behaupten die deutliche Mehrzahl unserer Vierbeiner – lassen sich nicht in ein und die selbe Schublade stecken. Heute werden diverse Haltungsformen oder Heudarbietungsformen als die artgerechte Form der Futteraufnahme propagiert, weil damit eine dauerhafte Futteraufnahme gewährleistet werden soll oder weil man damit eine Überfettung der Vierbeiner vermeiden möchte. Viel zu häufig ist der einzige Grund, warum gewisse Futterdarreichungsformen propagiert werden, das Streben nach Effizienz und Kosteneinsparung des Betriebes selbst. Man lässt sich hier von allgemein bekannten Zahlen und Erkenntnissen verleiten und begeht damit einen großen Fehler. Wer letztendlich seinem eigenen Pferd eine ideale Haltung ermöglichen möchte, sollte genau auf den Charakter des Pferdes, die genetische Varianz, die hauptsächliche Verwendung, das individuelle Fressverhalten und die Herde in dem es steht, achten. Die Erkenntnisse aus den Facharbeiten meiner Studenten bestätigt, dass viel zu viel theoretisch gefüttert wird. Die Folge sind gestresste Pferde, Pferde mit Verdauungsproblemen (Kotwasser), Pferde mit Zahnkomplikationen und anatomischen Problemen oder zu dicke oder dünne Pferde. In der Zusammenfassung der Ergebnisse kann am Ende meiner Ausführungen sicher auch nicht zwingend das Nonplusultra abgeleitet werden, weil wie bereits erwähnt alle Pferde unterschiedlich sind. Wir wollen mit unseren Beobachtungen erreichen, dass das genaue Hinsehen und die eigene Kreativität bei der Futterdarbietung im Hinblick auf die vorhandenen Erkenntnisse am Ende zum erwünschten Ergebnis – ein gesundes Pferd zu haben – führen.

„Die richtige Ernährungsweise verhindert nicht nur die Krankheitsentstehung, sondern sie bringt auch Gesundheit und ein Gefühl des körperlichen und geistigen Wohlbefindens hervor.“
(Quelle: „Pflanzenbasierte Ernährung und ihre wissenschaftliche Begründung“ von Thomas und Colin Campbell)

Ernährungstherapeutin Christina Büchner hat es in ihrer Facharbeit sehr schön beschrieben und gibt das Problem wieder, mit dem wir – als zur Hilfe gerufene Therapeuten – häufig konfrontiert werden.
„Es hat sich gezeigt, dass jede Darreichungsform ihr spezifisches Problem hat, welches sich unter bestimmten Bedingungen als vorteilhaft bzw. nachteilig erwies. Es gilt also anzustreben für jedes Individuum Pferd die gesundheitsförderndste Fütterungsart zu finden, was eine detaillierte und umfassende Kenntnis der einzelnen Möglichkeiten Heu vorzulegen – sowie der Qualitätskriterien von gutem Pferdeheu – voraussetzt …“

Im Endeffekt gelang es Christina durch die individuelle Anpassung der Darbietung von Heu und Weide, sowohl die bis auf die Knochen abgemagerte Stute (27 Jahre, Cushing) Farouche als auch den in der Herde lebenden Haflinger Wallach Sammy (14 Jahre, massives Übergewicht 145 kg, COB, Arthrose, EMS) auf den richtigen Weg zu bringen. Ohne dabei alle Tierschutzaspekte und artenrelevanten Aspekte außer Acht zu lassen. Standardlösungen hätten hier für mindestens 1 Pferd den letzten Sommer bedeutet. Diese beiden Pferde dürften exemplarisch für so manche Gruppe im Offenstall stehen. Einerseits haben wir Pferde mit deutlich zu vielen Kilos und andererseits stehen auch alte oder kranke Pferde in der Herde, die ein gänzlich anderes Fütterungskonzept benötigen. Ein Grund dafür, warum trotz idealer Haltungsbedingungen (Auslauf, Weide, Offenstall, Herdenhaltung) die Krankheiten zunehmen.


Heunetzfütterung in der Herde – der Garant für die ideale Futtermenge?

Simon Wieser hat in seiner Facharbeit die Fressgewohnheiten seiner eigenen kleinen Pferdeherde beschrieben. Seine Herde besteht aus 3 Kaltblütern, 2 Haflingern und einem Tinker. Alle drei Rassen würde man zu den „Nordtypen“ (lt. Bender) zählen und eher den leichtfuttrigen Pferden bzw. Robustpferden zählen. Interessant waren seine Erkenntnisse zur Heumenge, die von diesen Pferden je Stunde aufgenommen wurde. In den meisten Publikationen werden von 1 kg je 40 Minuten bei Großpferden und 1 kg je 60 Minuten bei Ponys gesprochen. Im Schnitt wurden 2,5 kg loses Heu je Stunde gefressen. Diese ungewöhnlich große Menge kam zu Stande, da die Pferde während des Versuches ungestört fressen konnten, d.h. es gab keine Rangkämpfe um das Heu. Im zweiten Anlauf wurden den Pferden Heunetze (Maschenweite 5 cm) angeboten. Hier erwiesen sich die Robustler ebenfalls als sehr geschickte Fresser. Im Mittel wurden in einer Stunde 2 kg aufgenommen. Beachtlich war, dass ein Haflinger und der Tinker völlig unbeeindruckt bzw. sehr geschickt waren und die gleiche Heumenge – egal ob lose oder Netz – fraßen.

Das Fazit der Heunetzfütterung innerhalb einer Herde ist dennoch ernüchternd. Erstens waren die Unterschiede der Aufnahmemenge bereits innerhalb derselben Rasse extrem. Bei den drei Kaltblütern kam es je Stunde zu einer Differenz von bis zu 1 Kilo. D.h. bei einer theoretischen Fütterungszeit von 5 bis 6 Stunden über den Tag verteilt, hat der am schnellsten fressende Kaltblüter seinen Bedarf gedeckt. Kaltblüter Artos aber hatte fast 4 kg zu wenig. Dies ist eine wertvolle Erkenntnis für den Hufschmied und Ernährungstherapeuten Simon Wieser, der nun auch detaillierter weiß, warum Artos immer zu dünn ist und warum die Haflinger – möchte man das Gewicht der beiden anderen Kaltblüter halten – mit dieser gemeinsamen Fütterungszeit bzw. Heudarbietung einfach zu dick werden. Damit wird deutlich, dass es nicht nur rassebedingt Unterschiede gibt, sondern dass es insbesondere innerhalb einer Rasse bereits gravierende individuelle Unterschiede im Fressverhalten und wahrscheinlich auch in der Verstoffwechselung (das wurde nicht untersucht) gibt. Trotz dieser Erkenntnis möchte auch Simon nicht auf die großen Vorzüge der Haltung in einem Offenstall verzichten und ein gemeinsames Fressen gewährleisten – überlegt aber zumindest während der Futteraufnahme die Herde in zwei Gruppen einzuteilen: In die schneller und in die etwas „ungeschickter“ fressenden Pferde.


Ergebnis Heumenge/h aus 60 Pferden

Stockmaß

loses Heu kg/h

Heunetz (> 3cm) kg/h

Heunetz (< 3 cm) kg/h

klein (90 bis 130 cm)

1,0

0,5

0,5

mittel (131 bis 159 cm)

1,7

1,4

1,1

groß (160 bis 185 cm)

2,6

1,8

1,3

*Tabelle ist in mobiler Ansicht mit einer Scrollfunktion ausgestattet.


Reduzieren engmaschige Heunetze die stündliche Aufnahme wirklich um die Hälfte?

Heunetze werden in unterschiedlichen Maschenweiten angeboten. Zum besseren Vergleich habe ich die Ergebnisse in Netze bis 3 cm, bis 5 cm und über 6 cm eingeteilt und entsprechend ausgewertet. Als Daten habe ich die Erkenntnisse aus den einzelnen Facharbeiteten meiner Studenten verwendet. In vielen Veröffentlichungen im Netz wird von einer reduzierten Aufnahme von bis zu 50 % berichtet, wenn engmaschige Heunetze gehängt oder fest mit der Raufe verbunden verwendet werden. Annähernd traf dies im Mittel bei Heunetzen mit einer Maschenweite unter 3 cm zu. Wobei sich auch hier die Robustpferderassen als sehr geschickte Fresser entpuppten und teilweise eine Futtermengenreduktion von nur 20 % möglich war. Ernährungstherapeutin Anna Kranz ging dieser Frage intensiver nach und kam zu folgendem Ergebnis: „Daraus lässt sich ableiten, dass sich die Pferde an die Fütterung gewöhnen können und es dann im Vergleich zur losen Heufütterung keine merklichen Mengenunterschiede mehr gibt. Des Weiteren macht es auch einen Unterschied, ob das Heunetz aufgehängt ist oder nur über das Heu gespannt wird,. Bei einem aufgehängten Netz mit enger Maschenweite  hat sich auch die Aufnahmemenge je 10 Minuten deutlich verringert. – je weniger Heu sich darin befand. Das Fressverhalten beim aufgehängten Netz war darüber hinaus deutlich gestresster, die Kopfhaltung unnatürlich und die Wasseraufnahme in den 3 h der Beobachtung eingeschränkt …“. Bei der genaueren Analyse des Kots (Struktur und Faserlänge) stellte sie darüber hinaus fest, dass teilweise längere und härtere Fasern vorgefunden wurden.

Ein ähnliches Verhalten beschreibt auch Franziska Pfab, die ihre Versuche an einer aus 6 unterschiedlichen Pferden bestehenden Herde machte. Sie bestätigt Annas Ergebnis. Bei Ihr zeigen die Pferde mit dem Zusammenfallen der prall gefüllten Heunetze ebenfalls einen gegenüber loser Fütterung signifikanten Anstieg der Fresszeit je Stunde und Kilogramm Heu. Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Anna konnte sie aber zumindest bei 3 der 4 Pferden die je Stunde aufgenommene Menge (mittels Maschenweite < 3cm) um über 50 % senken. Das größere Heunetz (> 6 cm) brachte kaum bessere Ergebnisse als gegenüber dem lose gefütterten Heu .

Heu lose - Fressverhalten Pferd

Heunetz 4 cm - Fressverhalten Pferd


Fressen Ponys anders?

Deutlich mehr Heu fraßen die Isländer je Stunde über diese zeitgesteuerte Klappe als loses Heu ohne Zeitlimit.Dieser Frage gingen Ernährungstherapeutin Manuela Specht und Sonja Blecken sehr intensiv in ihrer Facharbeit nach. Obwohl zunächst diese Zahlen (weil nur insgesamt 7; Mini Partbred Shetlandpony) keinen Rückschluss auf alle Ponys zulassen, kann dennoch ein Trend festgestellt werden. Im Gegensatz zu ihren großen Artgenossen verhielten sich diese Pferde in ihrem Fressverhalten relativ homogen. Bei Manuela tranken alle drei während ihres ersten Kilos losen Heus 2 Liter Wasser und waren wie verabredet nach 2 Stunden und 15 Minuten mit dem Fressen fertig. Im Schnitt fraßen – und das bestätigt auch die anderen Erkenntnisse aus unseren Facharbeiten die ein Pony unter ihren „Studienteilnehmern“ hatten – Shetlandponys ca. ein knappes Kilo binnen einer Stunde (mit jeder Stunde geht die Menge deutlich zurück). Interessant war die Beobachtung von Manuela, dass die Versuchsherde, als diese nicht mehr getrennt voneinander gefüttert wurde, deutlich schneller fraß. Dies lässt den Rückschluss zu, dass Herdendruck auch Einfluss auf die Anzahl der Kauschläge bzw. Fressgeschwindigkeit nehmen kann.

Die Ponys reagierten auf engmaschige Netze besonders signifikant. Maschenweiten von 4 cm reduzierten die Aufnahmemengen um 50 % und bei einer Maschenweite kleiner 3 cm um sogar 65 %. Selbst bei Heutoys kam es noch zu signifikanten Verbesserung der Futteraufnahme – eine Feststellung, die man bei größeren Rassen nicht treffen konnte. Eine ähnliche Feststellung konnte auch Sonja Blecken machen, die ebenfalls 4 Shetlandponys testete. Sie konnte ebenfalls die Futterzeit mit einem 4-5 cm Netz um ca. 30 % deutlich verlängern. Die Ponys, die keine Heunetz gewohnt waren, zeigten sich aber mit dieser neuen Fütterungstechnik gar nicht einverstanden. Sie waren deutlich genervter. Der Versuch Heu in einem Heukissen (Maschenweite 2 bis 3 cm) anzubieten scheiterte. Alle Ponys verweigert nach kurzer Zeit die Aufnahme.

Bettina Gerken und Kathrin Rosseburg, beide begeistere Islandpferdebesitzer, nahmen sich in ihrer Facharbeit ganz speziell diese Pferderasse vor. Interessant – auch wenn letztlich wegen fehlender weiterer Fälle nicht reproduzierbar – war die Beobachtung bei Kathrin. Diese Feststellung konnte ich auch bei Pferden machen, die über computergesteuerte Fressständer oder Klappen ihr Heu bekamen. Obwohl das Heu hinter der zeitregulierenden Klappe zusätzlich mit einem Netz überzogen war, fraßen die Isländer annähernd doppelt so schnell als bei losem Heu. Scheinbar entwickeln die Pferde sehr schnell ein Zeitgefühl für die erlaubte Dauer der Futteraufnahme und versuchen daher über hastigeres Fressen (Kauschläge je kg bleiben gleich) möglichst viel Futter aufzunehmen. Ein Aspekt, der auch in den Schauer oder HIT-Ställen beobachtet wird. Diesem Umstand werden wir in Zukunft noch größere Aufmerksamkeit schenken, da dieses Verhalten offensichtlich zu sehr unnatürlichen Futtermengen führt.


Heutaschen oder Heutoys waren eher ernüchternd

Nicht alle Studenten haben in ihren Facharbeiten die Möglichkeit gehabt, die in Mode gekommenen Heutaschen oder Heutoys zu testen. Dennoch war das Ergebnis für die Ernährungstherapeuten, die auch diese Variante der Heudarbietung testeten, eher ernüchternd. So schrieb z.B. Martina Geltinger: „Erkenntnisreich sind auch die Ergebnisse der Fütterung mittels Heutasche. Obwohl die Anbringung und Befüllung sehr positiv ausgefallen sind, war das Ergebnis der Fütterungszeit und Beschäftigungszeit ernüchtern.“


Nasses, gewaschenes Heu wird schneller gefressen?

Die Beobachtung war, dass nasses Heu gegenüber trockenem Heu schneller gefressen wurde. Noch könnte es sich bei der Beobachtung von Anna Kranz um einen Einzelfall handelt. Für uns ist diese Feststellung aber sehr interessant, so dass wir diesen Punkt in einer unserer nächsten Studien von unseren Studenten beobachten lassen werden. Einige unserer Ernährungstherapeuten konnten auch feststellen, dass sie Pferde in ihrer Probandengruppe hatten, die ihr trockenes Heu in ihr Tränkebecken oder ihren Wassereimer tunkten, bevor sie es fraßen. Warum das so ist, wollen wir auch noch genauer untersuchen. Vermutet wird, dass den Tieren das Kauen und Abschlucken so leichter fällt. Heute weiß man auch, dass sehr grobstängeliges Heu oder Luzerne mit Magenproblemen in Verbindung gebracht werden.


Die natürliche Fresshaltung – hier gibt es Bedenken (Muskeln, Wirbelsäule, Gelenke, Zähne, Stress)

Zaehne PferdIn der Zusammenfassung aller Studien (insbes. Dr. Karin Lübbers) gab es bei der Fütterung mit an der Wand hängenden Heunetzen sowie anderer Heuraufen einen einheitlichen Konsens: Alle beklagten die häufig unnatürliche Haltung während der Futteraufnahme. Sowohl die Kopfhaltung als auch die fehlende natürliche Stellung der Vorderbeine gab zu Bedenken. Untersucht wurde nicht, inwieweit es hier auch zur Veränderung der Muskulatur oder der Gelenke kommen kann. Denkbar wäre aber durchaus, dass eine dauerhafte unnatürliche Fresshaltung zu nachhaltigen Problemen führen kann. Besonders kritisiert wurde, dass sehr viele Pferde (insbesondere die, die ein Fressen durch ein Heunetz nicht gewohnt waren) massiven Stress hatten. Viele Pferde wurden sogar regelrecht aggressiv und andere resignierten und verweigerten eine weitere Futteraufnahme (20 % der erfassten Pferde). Besonders auffällig war das Verhalten an Heunetzen mit Maschenweiten unter 4 cm. Auch wenn diese Maschenweiten letztendlich nötig wären, um eine wirksame Verlängerung der Fresszeiten zu erreichen, stieß diese in den Schlussfolgerungen der einzelnen Facharbeiten auf Ablehnung. Für viele der Studenten, die ja selbst oft Pferde in Eigenregie hielten, war diese Erkenntnis ein guter Grund dafür, um diese selbst praktizierte Form der Heuaufnahme erneut zu überdenken.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Zähne, die dabei stark in Mitleidenschaft gezogen werden können (siehe Bild). Da sie nicht Gegenstand der Facharbeit waren und nicht überall erfasst wurden, sei dies nur kritisch angemerkt.


Was bedeuten diese Erkenntnisse für das Individuum Pferd, den einzelnen Pferdebesitzer und den Stallbetreiber?

In der Zusammenfassung der erfassten Ergebnisse wurde eines sehr deutlich: Jedes Pferd ist ein Individuum und pauschale Kenngrößen über die aufgenommene Futtermenge je Stunde, Kauschläge oder die Fresszeitverlängerung über Heunetze sind in der Praxis nicht zuverlässig anwendbar. Die Unterschiede waren selbst innerhalb einer Rasse so groß, dass letztendlich die gerne diskutierte genetische Varianz in punkto Fressverhalten nicht abgeleitet werden konnte. Viel mehr spielten Charakter, Stress, Herdenzusammenhalt, Anzahl der Futterplätze, Gewohnheit und gesundheitliche Aspekte eine signifikantere Rolle als Rasse, Stockmaß und Verwendung.

Die bisher von unseren Studenten gemachten Beobachtungen zeigen, dass die Mehrzahl der Pferde ein deutlich differenziertes Verhalten an den Tag legte, wenn Fütterungstechniken angewendet wurden, die nicht dem natürlichen Fressverhalten entsprachen. Es gab aber auch einige wenige Pferde, die sich davon nicht beindrucken ließen. In der Summe konnten die Fresszeiten durch ein Heunetz mit einer Maschengröße kleiner als 4 cm bis max. 6 cm um ca. 30 % verlängert werden. Größere Maschenweiten brachten keine nennenswert längere Fresszeit. Annähernd die doppelte Zeit verbrachten die Pferde mit der Futteraufnahme, wenn die Maschenweite der Heunetze um die 3 cm betrugen. Dieser Wert wird allerdings dadurch verfälscht, dass einige Pferde nach wenigen Minuten die Futteraufnahme komplett verweigerten. Auffällig war, dass in den Facharbeiten ein deutlich erhöhter Stresspegel bei der Futteraufnahme beobachtet wurde und vereinzelte Pferde sogar aggressiv wurden. Ein wichtiger Aspekt neben der bereits erwähnten unerwünschten Kopf- und Fußhaltung der Pferde (insbesondere bei hängenden oder an waagrechten Wänden befestigten Fressvorrichtungen). Als Fazit muss nach heutigem Kenntnisstand festgestellt werden, dass die Fütterung über engmaschige Heunetze oder Heutoys keine artgerechte Futteraufnahme darstellt, da es zu unnatürlichen Verhaltensmustern, einem deutlichen Anstieg des Stresspegels und ggf. körperlichen sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Angemerkt werden muss aber, dass einige Pferde mit der Zeit lernen können, solche „Missstände“ anzunehmen. Artgerechter wird diese Fütterungstechnik damit allerdings nicht.

Bei loser Heufütterung sollten die Fressplätze möglichst weit auseinander liegen. Bewährt hat sich das Bereitstellen von einem Fressplatz mehr, als Pferde vorhanden sind. Unter engen Verhältnissen neigen Pferde auch bei der losen Fütterung zu unnatürlichem Verhalten, Futterneid sowie Stress, was wiederum zu einer ungewollt schnellen und weniger gut gekauten Heuaufnahme führt.

Zeitlich gesteuerte Futterautomaten hatten zur Folge, dass die Pferde ein regelrechtes Zeitgefühl entwickelten. Während der Futterzeiten schaufelten die meisten Pferde ihr Futter regelrecht in sich hinein, um möglichst viel Futter in der kurzen Zeit zu erwischen. In der Kenntnis, dass Pferde bei losem Heu in der Regel nach 20 bis 45 Minuten eine Pause einlegen, kann versucht werden, die über Fressautomaten eingestellte Futterzeit auf mindestens 45 Minuten einzustellen und längere Pausen als 2 Stunden zu vermeiden. Diese Form der Fütterung entspräche im Mittel auch dem Verhalten der Wildpferde in freier Natur.

Unsere Beobachtungen und Facharbeiten gehen auf jeden Fall noch weiter. Einige Erkenntnisse müssen noch einmal genauer beobachtet und analysiert werden. Daher betrachten Sie diese Zusammenfassung zunächst als erste Einschätzung und nicht als eine in Stein gemeißelte Feststellung. Regelmäßig werden wir diese hier updaten. Obwohl die 60 erfassten Pferde mittlerweile eine erste Einschätzung zulassen, bleibt die Erkenntnis, dass nichts einfach auf ein Mittelmaß heruntergebrochen werden kann, wenn man dem Einzelbedürfnis des Pferdes gerecht werden will. Das Fressverhalten der Pferde war extrem unterschiedlich. Damit entsteht beim Stallbetreiber eine hohe Verantwortung, will er seinen Schützlingen eine möglichst individuelle und artgerechte Fütterung bereitstellen.

Ich danke allen mittlerweile ausgebildeten Ernährungstherapeuten der College Caball für ihre hochinteressanten Facharbeiten zu diesem wichtigen Thema.